Besserbräu: Heimbrauen für Fortgeschrittene

Besserbräu: Heimbrauen für Fortgeschrittene

Seit der Erstellung der vorangegangen Seite Heimbrauen für Anfänger sind nun fast drei Jahre vergangen, in denen ich eine Menge Biere aus Bierkits gebraut habe (Grüsse an Hibbo, ich habe Palette einmal rauf und wieder runter :-), und währenddessen fand ich es immer interessanter, einmal selber nach einem Rezept zu hopfen und Spezialmalze zu verwenden.

Was ist anders?

Im Gegensatz zum vorgehopften Bierkit ist der Heimbrauer in diesem Fall viel freier und kann nach eigenem Gutdünken und Geschmackspräferenz selber das Resultat beeinflussen. Wer sein Bier gern bitter mit “Hopfenbiss” trinkt, gibt mehr oder “saureren” Hopfen hinzu usw. Die Verwendung von Spezialmalzen aller Art macht den Kochvorgang etwas komplizierter, aber mit einigen einfachen Tricks lässt sich dieser Mehraufwand leicht kompensieren.

Spezialmalze

Spezialmalze wie Karamelmalz oder geröstetes Malz verbleiben nicht während des ganzen Kochvorgangs in der Würze, sondern nur bis zum Erreichen des Siedepunkts. Wie bekommen wir sie dann wieder aus dem restlichen Sud heraus? Ganz einfach: Mit Hilfe der “Riesenteebeutelmethode” (siehe auch Abb. 1). Die nach Rezept zu verwendenden Spezialmalze werden geschrotet (Hibbo verschickt sie auf Wunsch auch schon vorgeschrotet) auf ein sauberes Leinentuch gelegt und dort per Hand vermischt. Hier könnt ihr schon richtig riechen und eine Idee davon bekommen, wie das Bier später schmecken wird, also ruhig mit vollen Händen hinein und ordentlich geschnüffelt!
Abb.1: Der Spezialmalz-Teebeutel

Danach wird das Tuch an den Enden verknotet und mit Hilfe eines langen Holzlöffels oder -stocks in den Topf gehängt (Abb. 1). Während die Würze zum Kochen gebracht wird, wird der Beutel hin und her geschwenkt, um möglichst viele der “guten” Inhaltsstoffe der Spezialmalze in die Würze zu bekommen.

Nachdem das ganze kocht, lässt sich der Beutel leicht in eine Schüssel befördern und mit Hilfe eines grossen Löffels ordentlich “ausquetschen”. Die erhaltene Flüssigkeit wird dann wieder in den Sud gegeben (Abb. 2).

Nun kann der restliche Malzextrakt und der Kochhopfen hinzugegeben werden.


Abb. 2: Bis zum letzten Tropfen: Unser “Teebeutel” tropft aus 😉

Koch- und Aromahopfen

Weiterhin unterscheiden wir beim “Besserbräu” lt. Papazian zwischen Koch- und Aromahopfen, d.h. Hopfen, der während des gesamten Kochvorgangs im Sud verbleibt und jenem, der nur während der letzten Minuten dem Sud hinzugegeben wird (in der Regel 3–5 Minuten).Die Reste des Aromahopfens (sowie viele andere unerwünschte “Schlammstoffe”) werden dann durch die Verwendung eines möglichst feinen Küchensiebs beim Eingiessen des Suds in den Glaskolben herausgefiltert (dies lässt sich am besten zu zweit erledigen).

In meinen bisherigen Rezepten habe ich immer die gleiche Art von Hopfenpellets verwendet, es gibt aber tausende von Bierarten, in denen Koch- und Aromahopfen unterschiedlicher Natur sind. Übrigens solltet ihr euch über den letztendlichen Hopfengehalt nicht allzu viel Gedanken machen, wenn ihr in Deutschland lebt. Hierzu eine kleine Anekdote aus eigener Küche:

In meinem letzten Bier (“Hoovie Hoppers Christmas Bitter”, ein helles englisches Bitter nach Papazian-Rezept) hatte ich nach Rezept für 22 Liter gehopft, aber nur auf 18 Liter aufgegossen. Ich war fest davon überzeugt, das Bier verdorben zu haben, und obwohl es ordentlich Hopfenbiss hatte, waren die meisten meiner Tester überzeugt, mein bestes Bier überhaupt vor sich zu haben. Von daher: Deutsche Biertrinker sind von Pilssorten hohe Hopfenanteile gewohnt, in einem Heimbrau-Ale fallen sie somit kaum mehr auf 😉

Und sonst?

Ja, das wars eigentlich auch schon. Klingt doch gar nicht so schlimm, oder? Was mich wirklich fasziniert hat, ist, dass der typische Geruch des Haufens Spezialmalze ziemlich in genau derselben Form als fantastischer Nachgeschmack im fertigen Bier auftaucht. Der restliche Brau- und Abfüllvorgang findet wie gewohnt statt, allerdings ist darauf zu achten, dass ein bisschen Platz im Kolben verbleibt oder zumindest eine Überlaufmöglichkeit in Form eines desinfizierten Plastikschlauches oben im Gummipfropfen gegeben ist. Mein letztes Bier war das erste, welches direkt durch das Gärventil nach draussen schäumte, und das war kein schöner Anblick 😉 Hier empfiehlt es sich wirklich, eine Überlaufmöglichkeit für das gärende Bier im Glaskolben zu schaffen.

Fazit und Ausblick

Die Verfügbarkeit von hunderten von Spezialmalzen und Hopfensorten ermöglicht es euch, ein Bier zu brauen, welches quasi direkt auf eure Geschmacksknospen abgestimmt ist. Es erfordert ein bisschen mehr Aufwand in Form eines riesigen Teebeutels und eines Küchensiebs, bietet aber dafür ungleich mehr Möglichkeiten als das reine “Kit-Brauen”.
Im Winter besonders zu empfehlen: Kuehlen der Wuerze mit Schnee

Natürlich ist dies nicht das Ende der Fahnenstange; es gibt genug Heimbrauer, die euch dafür verachten und 10,000 Flöhe in die Unterhose wünschen werden, weil ihr nicht selbst-angebaute Gerste oder Hopfen verwendet und euch somit kommerziellen Zwängen unterwerft. Für den Rest von uns bedeutet “Besserbräu” aber eine sehr gute Möglichkeit, dem “richtigen” Bierbrauen etwas näher zu kommen und vor allen Dingen auch einmal das unerwartete zu geniessen.


Keine Angst, es ist nur Bier!

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